| 07.10.19 - Veränderungen |



Politisch ist derzeit gerade einiges nach der Parlamentswahl von vor zwei Wochen in Israel am Laufen. Wie es mit Bibi persönlich (nach dem Korruptionsvorwurf) und damit auch politisch hinsichtlich der Koalition mit den Weiß-Blauen“ weitergehen wird, wird sich wohl erst nach den Ferienwochen (Yom Kippur und Laubhüttenfest) Mitte Oktober zeigen. Momentan haben sich alle Akteure zurückgezogen.

Bleibt uns also vor allem, die Veränderungen – zumindest die für uns sichtbaren – in Tel Aviv zu beobachten. Und das sind so einige, seitdem wir 2014 das erste Mal in Israel waren.

Die Anzahl der Hochhäuser hat sich sichtbar erhöht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem im Geschäftsviertel um die HaShalom Station herum hat sich das Stadtbild komplett neugestaltet. Und es geht immer weiter. Und auch in der Nähe des "Melody" haben sich höhere Häuser platziert. Sie fallen auf und verändern den Blick. Vielleicht nicht immer im positiven Sinne.

Da wo es notwendig wäre, passiert dagegen noch nichts. Zum Beispiel die Fläche (und vor allem, was darunter liegt) zwischen dem Carlton und dem Herods - der Übergang rüber zur Rehov Ben Gurion. Diese Ecke mit dem hässlichen - aber vermutlich benötigten Parkhaus und dem scheinbar noch im Einsatz befindlichen "Art Leonardo" (zumindest ist die Dachterrasse dort noch in Benutzung – aber da möchten wir nicht geschenkt wohnen) und seine Unterführungen sind schon lange jenseits von Gut und Böse. Aber genau dort, wo es notwendig wäre, tut sich nichts.

Ganz anders in der "Independence Hall" - im ehemaligen Wohnhaus von Meir Dizengoff. Das Haus wurde komplett entkernt und wird innen - und sicherlich auch außen - komplett neu aufgebaut. Mal abgesehen davon, dass das jetzt (wie man uns sagte) 1 1/2 Jahre dauern wird und sogar Telavianer davon überrascht waren, stellt sich die Frage, was vom ursprünglichen Geist noch bleibt. Sicherlich wird alles ganz toll und modern und sicher auch barrierefrei und vielleicht erwartet einen sogar eine (wie ein Freund vermutete) 3D Golda Meir am Eingang. Aber ist das noch der alte Geist des Gebäudes, wo man schon beim Betreten den Eindruck (früher) hatte, dass Ben Gurion gerade eben erst das Haus verlassen hat? Orna erzählte uns, dass die Baumeister (also die Politiker) Tel Avivs eher ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Geschichte haben. Neue Bauten scheinen ihnen wichtiger - sofern es dabei nicht ohnehin nur um Geld geht (was von Aliya vermutet wurde). Der Übergangsort für die Ausstellung aus dem alten Haus wirkt jedenfalls in dem ohnehin ziemlich hässlichen Shalom Meier Tower etwas verloren. Zu Gunsten dieses Towers wurde übrigens das alte Gymnasium von Aliya ohne mit der Wimper zu zucken abgerissen. 

Eine sicherlich wirtschaftliche Erwägung geschuldete Änderung dürfte der Umbau des Frühstücksraums des Rothschild 22 gewesen sein. Der Raum wurde zur Bar umgebaut, damit er auch abends zielsicherer genutzt werden kann. Das hat ihm nicht unbedingt Vorteile gebracht. Jedenfalls nicht, wenn man dort frühstücken will. Die Sitzplätze sind weniger und unbequemer geworden, die Bar wurde für die Speisenbereitstellung genutzt (was man aber noch als Platzgewinn verbuchen kann) und die riesige Flaschenwand im Hintergrund wirkt eher einschüchternd. Naja. 

Aber es gibt auch positive Änderungen.

Der Um- und Ausbau der Tayelet ist endlich abgeschlossen worden. Die Strandpromenade reicht jetzt praktisch vom alten Hafen bis Jaffa. Und sie sieht sehr gut aus.
Nicht ganz einfach hat man sich sicherlich die Entscheidung gemacht, die Ruine des ehemaligen Dolphinariums – eine ehemalige Disko, die in den 90iger Jahren während der 2. Intifada von Terroristen in die Luft gesprengt wurde, mit sehr vielen jungen, vor allem russischen Opfern – abzureißen und durch einen Park zu ersetzen. Der Park ist ok. Eine neue sehr große Liegefläche für die Telavianer. Aber die Symbolik ist nicht zu verachten.

Interessant ist auch der schon seit langem laufende Bau der neuen Metro, mit der der regelmäßige Verkehrskollaps in der Stadt Morgen, mittags und abends (mit Ausnahme am Sabbat und an hohen Feiertagen) gelöst werden soll. Aber eingefleischte Telavianer sehen hier kaum Fortschritte. Und auch wir konnten kaum erkennen, dass es mit der Metro wirklich weitergeht, außer dass sie den Verkehrskollaps durch die Straßenverengungen weiter anheizt. Man hat den Eindruck, dass hinter den Bauwänden kaum etwas passiert. Und doch: Hinter dem Rothschild 22 scheint es mit dem Bau wirklich weiter zu gehen. Wann das alles fertig werden soll ist allerdings noch völlig unklar. Jedenfalls uns. Aber wenn sie dann mal da ist, könnte die Metro wirklich helfen.

Allein schon deswegen, weil inzwischen 9 Millionen Israelis in dem kleinen Land leben. Und das fast ausschließlich auf einen kleinen Bereich im Norden eingeschränkt. In der Negev wäre ja noch genug Platz – aber wer möchte da schon leben. Auch wenn Ber-Schewa mit derzeit schon über 200.000 Einwohnern durchaus Lebensqualität zu bieten hat. Das Land wächst weiter. Die Frage ist nur: wohin?

Und dann wäre da noch die Veränderung in uns selber.


Im Grunde hätten wir vielleicht die Situation mit der „Kinderlandverschickung“ ins Leonardo einfach in Ruhe abwarten sollen. Am Freitag mitteilen, dass sie sich bitte ein anders Hotel für uns suchen sollen und dann chillen. Vermutlich hätte sich alles geregelt – was ja so typisch für Israel ist. Irgendwann und irgendwie klappt es dann doch. Aber wir waren unsicher und über die gefühlte „Willkür“ (die vielleicht noch nicht mal real war) verärgert. Hätte sich alles in die richtige Richtung, d.h. das „Herods“ entwickelt, wenn wir nicht dreimal insistiert hätten? Wir werden es nie erfahren. Aber wir (ich) sind unentspannter geworden. Die Fokusierung auf das Ziel „will nicht“ ließ die ersten drei Tage leider etwas „verblassen“. Das Alter?



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